Unser Besuch in Lemberg Ende August /September 2018
Unser Besuch in diesem Jahr stand besonders unter dem wichtigen Datum des 75. Jahrestages der Befreiung des Ghettos und des Janowska Lagers.
Wir trafen donnerstags in Lemberg ein und wurden von Präs.M. Plieskov und Tanya Kotova abgeholt. Freitagvormittag fuhren wir mit Tanya und der Dame der Sozialkommission zu fünf Klienten und Klientinnen nach Hause. Es sind immer wieder rührende Begegnungen und es ist beschämend, mit wie wenig Unterstützung wir ein etwas besseres Leben ermöglichen können. Eine alte Dame, die mit Ihrem kranken und auch erblindenden Sohn zusammenlebt, ein Ehepaar, das mit den Folgen der Krebserkrankung des Ehemannes zu kämpfen hat, ein rührendes altes Ehepaar, das in einer sehr bescheidenen Wohnung lebt und die Ehefrau auf die Hilfe des Ehemannes angewiesen ist und besonders rührend der Besuch bei Sarah, die mit 109 Jahren als älteste Bürgerin Lembergs noch jiddische Gedichte zitieren kann. Diese Begegnungen sind uns so wichtig, da man nur hinter den Wohnungstüren elementare Not sehen kann, die vordergründig in der quirligen Stadt nicht auftaucht.
Nachdem am Samstag Mariusz, Arthur und Anna Schwarz aus München und eine Delegation aus Frankreich anreisten, hatten wir bei Frau Schwarz in den Räumlichkeiten der Polytechnischen Universität ein wunderbares Abendessen mit den Brüdern und Schwestern der B’nai B’rith Loge aus Lemberg, und sogar aus Ivanofrankowsk. Diese festlichen Einladungen finden nach all den Jahren in kleinem Kreis und enger freundschaftlicher Verbundenheit statt.
Sonntagvormittag begannen die Feierlichkeiten im großen Saal im Lemberger Rathaus. Vertreter der Stadt und auch der Oberbürgermeister begrüßten die Gäste, viele Gruppen und Initiativen, die sich mit Aspekten der jüdischen Geschichte in und um Lemberg beschäftigen/ sozial engagiert sind. Sie wurden mit einer gläsernen Kopie eines alten Synagogenschlüssels ausgezeichnet. Mariusz Schwarz nahm, für seine Familie stellvertretend, diese Ehrung entgegen in Anerkennung für die Unterstützung jüdischer Menschen in Lemberg. Berührend auch die Ehrung für die letzte Überlebende des Janowska Lagers ,Janina Altman, geb. Hescheles, die als 12-jähriges Mädchen überlebte.
Mit Bussen wurden die Gäste dann zum öffentlich zugänglichen Bereich des ehemaligen Janowska Lagers gefahren. Hier hielt Rabbiner Boldt eine Ansprache und betete.
Zwei Enkel zweier Überlebender, Arthur Schwarz und der Enkel von Janina Altman, entzündeten gemeinsam zwei Kerzen an dem Gedenkstein, den Aleksander Schwarz hatte aufstellen lassen. Die Stadt Lemberg hat inzwischen einen Architekturwettbewerb ausgeschrieben für die Gestaltung des Geländes des Konzentrationslagers. Die drei Siegerentwürfe waren hier ausgestellt, beeindruckend aber auch beeindruckend kostenintensiv, so dass man auf die Realisierung gespannt sein darf. Das Orchester der Stadt Lemberg spielte auf einer überdachten Bühne ein Memorial Konzert mit Musik von Gustav Mahler.
Zurück in der Stadt war an dem Platz der zerstörten Synagoge „Goldene Rose“ , auf dem jetzt entstandenen Gedenkort „Space of Synagogues“ ein Konzert mit verschiedenen Künstlern, die jiddische Lieder und andere, an jüdische Traditionen ,anlehnende Musik präsentierten.
https://www.youtube.com/watch?v=i1nQVWgR9kw
https://www.youtube.com/watch?v=8Uf6Vr1rZiM
Eine beeindruckende Vorstellung bei schönstem Sommerwetter vor einem großen Publikum anlässlich eines so großen Gedenktages.
Am nächsten Tag besuchten wir gemeinsam mit der französischen Delegation und unseren Freunden der B’nai B’rith aus Lviv den Kindergarten“ Aleph Beth Gimmel“. Wie immer wurden wir sehr herzlich begrüßt von den Kindergärtnerinnen und Kindern. Besonders haben wir uns gefreut, als wir die, mit unseren Spendengeldern, neu hergerichteten sanitären Anlagen vorfanden. Die Leiterin bot uns mit Ihren Kindern, leider waren einige Kinder mit Ihren Geschwistern zum 1. Schultag unterwegs, ein buntes Programm mit Liedern, Geschichten und Gebeten. Eine tolle Arbeit ,die uns immer wieder Freude macht.
Anschließend fuhren wir dann weiter zu unseren Klienten, die an dem Projekt der Mittagstafel teilnehmen, die in der Mensa der Polytechnischen Hochschule ihren Platz hat. Luda Schwarz, Chefin der Mensa und stellvertretende Präsidentin der B’nai B’rith Loge in Lemberg, betreut dort ca. 40 Bedürftige und serviert frisch gekochtes Mittagessen an freundlich gedeckten Tischen. Auch wenn wir natürlich in der russischen Sprache nicht sehr geübt sind, war bei der Begegnung mit den Teilnehmern dieses Projekts, deutlich spürbar, wie wichtig diese warme Mahlzeit für sie alle ist. Wir wünschten uns sehr, dass wir die finanziellen Möglichkeiten hätten, mehr Bedürftige in dieses Projekt aufzunehmen.
Da die Stadt Lemberg erkannt hat , dass es wichtig ist, ihrer jüdische Geschichte sichtbar zu machen , findet man inzwischen überall in der Stadt Aufsteller mit Infos und Bildern zu den jeweiligen historischen Orten. Besonders erfreulich ist , dass neben dem Denkmal für das Ghetto nun auch ein kleines Museum zur Geschichte des Ghettos errichtet wurde:
Terror Territory Museum -
http://territoryterror.org.ua/en/
Eine Kleine Dokumentation mit vielen Fotos, Karten und Fundstücken, gelegen am Bahndamm der Zugstrecke, die das Ghetto damals abgrenzte.
Zusammenfassend können wir berichten, dass die von uns unterstützten Projekte weiterhin gewissenhaft von unseren Partnern der B’nai B’rith Loge in Lemberg betreut werden. Die Stadt Lemberg entdeckt ihre jüdische Geschichte und beginnt ,den lange vergessenen Mitbürgern ,ein ehrendes Andenken zu geben. Die Unterstützung durch unseren Verein „Leopolis“ bleibt jedoch nach wie vor für viele jüdische Menschen in Lemberg eine wichtige Hilfe , um würdig und etwas sorgenfreier dort leben zu können. Wir danken unseren Freunden der B’nai B’rith für ihre Arbeit und sind froh, dass die jüdische Geschichte und Menschen Lembergs nicht in Vergessenheit gerät.